Dezember, 2021
Führungspositionen machen Männer froh – und Frauen depressiv“ titelt ein Manager-Magazin. In wie weit kann dieser Aussage recht gegeben werden? Leiden Führungsfrauen mehr unter Stress als ihre männlichen Pendants? Eine „google“ Suchanfrage mit dem Begriff „Stress“ liefert knapp 1 Milliarde Einträge. Der Begriff „Stress“ ist in der heutigen Zeit nicht länger ein Mode- sondern ein Alltagswort. Die Verwendung des Begriffes ist weitgefächert und mehrdeutig und spannt den Bogen von stressauslösenden Bedingungen (z. B. Termindruck) über das emotionale individuellen Stressempfinden (z.B. ich bin gestresst) bis zu stressbedingten Auswirkungen (z.B. Erschöpfung). Die aktuelle Stressforschung macht auf die emotionale Be- und Überlastung aufmerksam. Emotionen beeinflussen sowohl Wahrnehmungen, Kognition und Handlung des Menschen.
Die WHO erklärte Stress zu einer der größten Gefahren für unseren Gesundheitszustand im 21. Jahrhundert.
Ihrer Einschätzung nach wird bereits 2020 jeder zweite Fehltag krankheitsbedingt auf Stress zurückzuführen sein. Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse zum Thema Stress (2016) zeigt, dass stressbedingte Fehlzeiten bei den Krankschreibungen ansteigen. Die Tragweite der Auswirkungen ist auch durch die Erweiterung von psychischen Störungen im Krankheits-Diagnosekatalog sichtbar. Die Studie zeigt auf, dass die heutige Gesellschaft sich mehr gestresst als früher einschätzt. 62% der Befragten bestätigen dies. 1/3 der Befragten fühlt sich gestresst und ausgebrannt. Eine alarmierend hohe Zahl.
Die Hauptstressoren von Führungskräften sind der fremdgesteuerte Termin- und
Leistungsdruck, die Notwendigkeit des Multitaskings und die häufigen Unterbrechungen bei der Arbeit. Negative gesundheitliche Auswirkungen resultieren nicht aus punktuellem Stress, sondern aus den Konsequenzen des Dauerstresses. Folgen sind beispielsweise Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Im Extremfall münden diese in ein Burnout.
Das Wissenschaftliche Institut der AOK meldet, dass Frauen von den Folgen des Burnouts doppelt betroffen sind (WIdO, 2011). Dies legt auch der BKK-Gesundheitsreport dar, welcher eine häufigere Erhöhung psychisch bedingter Ausfälle als bei Männern feststellt. Das Studienergebnis zweier US-Forscherinnen ergab, dass Frauen in Führungsebenen gestresster sind als ihre männlichen Kollegen. Leiden Frauen mehr unter dem beruflichen Erfolg? Je einflussreicher die Position, desto höher die Gefahr von stressbedingten Anzeichen. Selbstverantwortung, Selbstbestimmung oder Aufgabenvielfalt sind positive Faktoren, die zu mehr psychischer Gesundheit führen. Auch höheres Einkommen und gute soziale Stellung tragen dazu bei. Dies scheint bei Führungsfrauen in Frage gestellt zu sein. Es scheint, dass Faktoren wie zwischenmenschlicher Stress, Empathie und das Sorge tragen in Führungspositionen von Frauen die positiven Konsequenzen von Führung umkehren. Bei männlichen Führungskräfte, die durch männliche Eigenschaften wie
Autorität, Macht oder Konkurrenzdenken geprägt sind, scheint der Stress der Führungsposition sich nicht im gleichen Ausmaß wie bei Frauen negativ bemerkbar zu machen. Frauen sind Ansprüchen in Führungsrollen ausgesetzt, die anscheinend entgegen ihrer Natur zu vergrößertem Stress und Unwohlsein in der Führungsposition führen. Einschlägige Studien über die Auswirkungen von Stress bei weiblichen Managern sind rar. Die Shape-Studie (Kromm und Frank) hat dieses Phänomen aufgegriffen und zeigt Einblick in den Gesundheitszustand, Work-Life Balance, Belastungsniveau oder Lebensbedingungen deutscher Führungskräfte der mittleren und oberen Ebene. In Bezug auf das Thema Stress zeigt sich ein interessantes Bild: weibliche Führungskräfte leiden unter durchschnittlichen höhere Stressbeschwerden als die männlichen Kollegen, welche noch dazu unter dem männlichen Durchschnittsmann von Stress geplagt werden. Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor unter repräsentiert im Vergleich zu den männlichen Kollegen. Laut Statista ist der Frauenanteil in deutschen Unternehmen
durchschnittlich 22,5%. Bei Unternehmen über 10.000 Mitarbeiter liegt der Anteil nur noch bei 16,5%. Obwohl Frauen nur etwa 1 Fünftel der Führungskräfte zählen, belastet sie die Rolle mehr als ihre männlichen Kollegen. Wie würde das Bild gestresster Manager aussehen, wenn die Frauenanteilquote gleich jener der Männerquote wäre? Linear hochgerechnet: besorgniserregend.
Stress unter der Lupe Nicht nur die Anzahl der Google Suchtreffergebnisse, sondern auch die Literatur zum Thema Stress ist vielfältig. Ein weiteres Indiz für dessen Vielfältigkeit. Stress steht beispielsweise im Englischen “stress“ für Druck oder Anspannung, im Lateinischen
„stringere“ für anspannen oder im Deutschen „Stress“ für Belastung und bezieht sich auf sowohl physische als auch psychische Reaktionen in Lebewesen, die durch äußere Reize hervorgerufen werden, um besonderen Anforderungen gerecht zu werden. Der Begriff geht zurück bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts, erstmals geprägt durch Walter Cannon (1914) im Zusammenhang mit der Fight-or-Flight Response. Seyle bezeichnet Stress als einen Zustand der Alarmbereitschaft um für die bevorstehende Leistung bereit zu sein (Seyle, 1936). Folgen von Stress sind eine psychische und physische Überbelastung des Organismus. Lazarus zeigte, dass Stressempfinden sowohl positiv (Eustress) als auch negativ (Distress) sein kann und je nach persönlichem Bewältigungsmuster individuell verschieden ist. Dies resultiert aus der Bewältigung von psychologischem Stress durch individuelle Bewertung von Situationen hin. Der Organismus reagiert mit Stress auf die außernatürlichen Anforderungen, um das fehlende Gleichgewicht so rasch wie möglich wieder her zu stellen (Schweizer Institut der Stressforschung, 2005). Die Vielfältigkeit der Definitionen und die Normlosigkeit zeigt das es an Eindeutigkeit fehlt. Stress ist, wie auch Lazarus ausführt, individuell. Ein Allheilmittel gibt es folglich nicht, da Stress unterschiedlich in Empfindung und Auswirkung ist. Die Prävention und Behandlungsmethodik bedarf einer maßgeschneiderten unterschiedlichen Ausrichtung.
Das Lebensumfeld berufstätiger Frauen Ein Blick in den Alltag von berufstätigen Frauen zeigt, dass ihr Lebensumfeld im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen differiert. Die Doppelbelastung für Frauen mit Kindern führt zu einer Doppelbelastung und resultiert in ca. 70 Wochenarbeitsstunden Erwerbs- und Familienarbeit. Traditionell lastet die Kindererziehung nach wie vor stärker auf dem weiblichen Geschlecht und es fehlt an Unterstützung. Die bestehenden Ungleichheiten im Arbeitsleben, wie beispielsweise mangelnde gesellschaftliche Anerkennung, geschlechtsspezifische Sozialisation, sind Quellen von Stress. Der Selbstwert ist an Leistung gekoppelt, der darunter folglich leidet (Poulsen, 2012). Am Arbeitsplatz werden eigene Bedürfnisse zugunsten der Familie vernachlässigt. Das weibliche Hilfsmuster, also der Ansporn, es allen recht zu machen, oder das Lieb-Mädchen sein wollen, erzeugen erhöhten Leistungsdruck. Fehlende Rückzugs- und Entspannungsmöglichkeiten führen zu Stress und zu einer mangenden Work-Life Balance. Insbesondere Führungsfrauen leiden unter deutlich erhöhten stressbedingten Beschwerden. Die Kölner Sportwissenschaftlerin Bettina Begerow untersuchte die Gesundheit von weiblichen Führungskräften. Frauen haben vor allem mit Muskel- und Skeletterkrankungen sowie psychischen und
psychosomatischen Krankheiten zu kämpfen. Emotionale Erschöpfung ist denkbar die Konsequenz.
Stressprävention bedarf der Betrachtung der Salutogenese. Der Ansatz an der Einstellung und am Verhalten, Persönlichkeit und Lebensumstände sind maßgeblich. Führungsfrauen sind vor allem durch psychologischen Stress gefährdet, welcher im Extremfall zu Burnout führt. Nach Hillert gibt es 4 Wege der psychischen Stressbewältigung bei Führungskräften. Diese sind das Fördern der Achtsamkeit, Möglichkeit, Denkbarkeit und Erholung & Kraft tanken. Nachweislich erzeugen das Praktizieren von Achtsamkeit Plastizitätszuwächse im Gehirn. Achtsamkeitspraktiken finden Einzug in die Stressprävention. Das spezifische Training der Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) ist ein präventives Neukonzept in diesem Zusammenhang. Die positiven Auswirkungen auf Geist und Körper sind nachgewiesen. Gemäß einer deutsch-amerikanischen Studie führt das Training zu Entspannung und Verringerung von Angstzuständen. Das von Jon Kabat-Zinn entwickelte MBSR, basierend auf der buddhistischen Tradition, ist von der Wissenschaft anerkannt und akzeptiert. Das Trainingsziel ist die Schulung des Geistes, mit dem Ziel Emotionen besser zu handhaben und Auswirkungen, die negative Konsequenzen haben, zu reduzieren.
Darin befindet sich großes Potenzial aufgrund der Bewusstmachung der gesundheitsfördernden Ressourcen im Menschen.
Michaela Perteneder, MBA
www.redhabits.com
REDHABITS devoted to solutions
Comments